Ich war im Wald und wir wissen alle was jetzt kommt: Ich habe nachgedacht und Erkenntnisse gesammelt. Wer sich fragt, was das mit Smalltalk zu tun hat, wird beim weiterlesen schnell feststellen, dass ich es bevorzuge allein im Wald unterwegs zu sein. Weitere Erkenntnisse: 1. Im Winter auf einer Waldschaukel zu hängen birgt die Gefahr an einer Blasenentzündung zu erkranken. 2. Tolles Teil, ich kann es absolut empfehlen, soviel Spaß für so wenig Geld. 3. Wenn man beim Rumschaukeln aus vollem Halse "Wrecking Ball" grölt, macht es noch viel mehr Spaß. 4. Kommt schon, das Teil schreit doch danach das Lied zu performen. 5. Im Winter würde ich mich da allerdings nicht nur im Schlüppi drauf setzen (wie Miley auf der Abrissbirne). 6. Im Sommer würde ich es auch nicht machen.
Wer von euch mag Smalltalk oder viel wichtiger, wer kann smalltalken? Smalltalk ist eine Kunst für sich, entweder du kannst es oder du kannst es nicht. Ich kann es definitiv nicht.
Mir fällt einfach nix ein, mein Hirn ist leer, es schaltet sich aus und ich spüre nur noch Leere. Dann steh ich also da, glotze grenzdebil aus der Wäsche und in meinem Kopf dröhnt die Titelmusik von Jeopardy in Endlosschleife.
Wenn jemand auf mich zukommt und sagt „Hey, lang nicht mehr gesehen - wie geht’s dir?“, sage ich: „Ja. Gut.“, fange an zu schwitzen und möchte wegrennen und zwar im Schweinsgalopp. Andere Menschen sagen „Ja, Mensch Günther, schön dich endlich mal wieder zu sehen. Mir geht’s gut, du. Bisschen Rücken, kennst du ja, gehörst ja auch zum alten Eisen, haha. Du, ich hab die Ursel letztens getroffen, die arbeitet immernoch bei Aldi an der Kasse, die hatte es ja auch immer so im Kreuz, die hat sich mit Martina überworfen, kennst du noch Martina? Jaja, die blonde damals aus’m Karnevalsverein…“. Ich stehe bei solchen Szenarien grundsätzlich fassungslos daneben und verstehe die Welt nicht mehr. Wie kann einem sowas in der Kürze der Zeit einfallen??
Eine klassische Smalltalk-Situation passiert mir immer wieder, wenn ich in der Innenstadt unterwegs bin um mich in einem Drogeriemarkt meines Vertrauens mit diversen Produkten einzudecken, die wirklich kein Schwein braucht. Ich stehe also ahnungslos so vor dem Regal mit den Pandagesichtsmasken, meine Haut schreit „ACHTUNG! ACHTUNG! JUCKENDER AUSSCHLAG FOLGT!“, mein Kopf sagt "Du bist nicht mehr 14, ist das dein Ernst?", mein Herz sagt "Ich will aber auch mal zu den coolen Kids gehören." (kurze Anmerkung an dieser Stelle: Wie soll ich bitte noch zusätzlich smalltalken, wenn ich schon die ganze Zeit mit mir selber reden muss?!) und plötzlich kommt jemand ums Eck gerauscht, den ich ca. 320 Jahre nicht mehr gesehen habe und dann geht es los: „Heeeyy, was machst du denn hier?“ Ja, was mache ich wohl in dem Drogeriemarkt bei den Pandagesichtsmasken? Denn Sinn des Lebens suchen? Lebensechte Katzen töpfern? Einen tibetanischen Fruchtbarkeitstanz aufführen? Höchstwahrscheinlich gehe ich shoppen, kaufe den ollen Panda und bereue das für den Rest meines Lebens! Das sagt der gewitzte Smalltalker aber nicht. Der sagt „Ich geh ein bisschen bummeln, das schöne Wetter genießen. Die Primeln stehen ja schon so schön in der Blüte, hast du gesehen? Der Verkehr war wieder schlimm und kein Parkplatz weit und breit! Und du?“. Daraufhin legt dann dein Gegenüber los, ihr verabschiedet euch nett und freut euch über den kecken Austausch - im „Normalfall“. Bei mir, wie gesagt: Jeopardy-Musik, Angstschweiß und Fluchtreflex.
Ich habe jahrelang jeglichen Smalltalk erfolgreich vermieden. Ich bin stellenweise geflüchtet, wenn ich eine Person früh genug gesehen habe, manchmal auch kurz vorher, ich habe mich hinter Mülltonnen versteckt oder mich mit Hut und Sonnenbrille vermummt. Bisschen irre, weiß ich selber … und dann habe ich ein Kind bekommen… keine Chance mehr. Sobald du ein Kind hast, wirst du gefühlt von der ganzen Welt angesprochen! Besonders wenn dein Kind so wundervoll und süß ist wie meine Tochter ;)
Der Kinder Smalltalk beginnt je nach Alter des Kindes vorerst natürlich bei dir „Oh, läuft die schon? Spricht die schon? Kackt die regelmäßig?“ Später wird das Kind dann direkt angesprochen „Du hast aber schöne Sandalen, hat Mama die gekauft?“… sind wir ehrlich, letzten Endes bist immer du die, die antwortet. In meinem Fall also: Ganz viel lachen und „jaha“ sagen. „Ja“ geht immer, habe ich schon bemerkt. Einfach „Ja“ sagen.
Ein Nachbar hat mir im Sommer voller Stolz erzählt, dass er nun Zucchini in seinem Garten anpflanzt. Was sage ich da? Jetzt mal ernsthaft, was sagt man denn da? Ich habe gesagt „Schön“, der Jeopardy-Musik in meinem Kopf gelauscht und habe wieder gelacht. Ich lache immer viel, damit die Menschen nicht glauben ich sei unhöflich. Ich bin wirklich nett, ehrlich! Ich kann halt nur nicht smalltalken. Wenn du mir deepen Scheiss erzählst, dann habe ich kein Problem. Ich mein, ein Kindergartenvater hat mir vor ein paar Wochen gesagt, dass er Depressionen hat, wir haben uns lange und ausführlich darüber unterhalten… aber bei Zucchini bin ich raus.
Was sagt das jetzt über mich oder über Menschen die eine Smalltalk-Beeinträchtigung haben aus? Nichts, oder? Ist doch wurscht, es liegt halt nicht jedem. Was soll’s. Früher bin ich vor solchen Situationen geflohen, heute stelle ich mich dem. Darum geht es doch, sich Situationen zu stellen die man als unangenehm empfindet und zu erfahren, dass es am Ende gar nicht so schlimm ist. Wahrscheinlich kann man es lernen, sich einfach mal nett zu unterhalten. Im Grunde habe ich ja nur ein Brett vorm Kopf, wenn ich das abnehme, geht es bestimmt. Der leichte Anflug von Panik, den ich früher dabei verspürt habe, ist schon weniger geworden. Also, wenn ihr mich mal trefft, sprecht mich ruhig an - wenn ich dann nur lache und „Ja“ sage, wisst ihr ja jetzt Bescheid.
Ich habe mir übrigens fest vorgenommen, dem Zucchini Nachbarn beim nächsten Mal zu sagen: „Ich mag Zucchini“. Der wird ausflippen vor Freude, wenn er merkt, dass ich mehr als „Ja“ und „Schön“ sagen kann! Wenn er mich dann allerdings auf einen Kaffee einlädt um über die Vor- und Nachteile über Zucchini-Bepflanzungen mit mir zu sprechen, laufe ich schreiend weg!
Liebe Imke, smalltalk konnte ich früher auch nicht bis ich gemerkt habe, dass andere Menschen das, was ich als smalltalk bezeichne für ernsthafte Gespräche halten. Also hab ich angefangen zu erzählen wie es mir geht, wenn mich jemand danach gefragt hat oder einfach zu sagen was ich hier mache ( die Sache im Drogeriemarkt). Entweder entsteht dann ein Gespräch oder die andere Person sucht das Weite und ich muss nicht mehr fliehen. 😄